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Da stehen wir also und rufen und schreien, und alle gucken schon irritiert und mitleidig, nur leider unser Ausreißer nicht, der zieht unbeirrt seiner Wege. Früher oder später kommt er dann doch irgendwann angeschlichen. Er wagt es nicht, uns anzusehen - Ganz offensichtlich weiß er genau, was er verbrochen hat! - und dann - Der Gipfel der Dreistigkeit! - fängt er auch noch an, hier und dort am Boden zu schnüffeln...

Dem Flüchtling ist im Moment aber wohl nur eines glasklar: Aus unerfindlichen Gründen ist Frauchen ziemlich sauer. Was uns als schlechtes Gewissen erscheint, ist sein Versuch, unseren Unmut zu besänftigen. Die Situation ist alltäglich, auch wenn es Vierbeiner gibt, die sich weniger leicht beeindrucken lassen - was nicht ganz untypisch für unsere Kuvaszok ist, vor allem, wenn sie bereits die Erfahrung gemacht haben, daß Zurückkommen nach einem kleinen Ausflug wenig empfehlenswert ist. Umso mehr werden sie darauf achten, sicheren Abstand zu halten, bis der Zorn verraucht ist. So oder so: Wenn wir jetzt strafen, bestrafen wir das Kommen, nicht das Weglaufen.

Günther Bloch, Der Wolf im Hundepelz (S. 28):

"Welpen sehen erwachsene Tiere als ihre Idole an, deren Verhaltensweisen es nachzueifern oder zu folgen gilt. Nach Rückkehr erwachsener Wölfe mit Jagdbeute laufen ihnen die Welpen STETS ENTGEGEN (nicht wie manchmal publiziert, umgekehrt). Sie zeigen über eine Distanz von mindestens 20 m parallellaufend aktives Futterbettelverhalten, welches bei erwachsenen Wölfen die Endhandlung des Futtervorwürgens stimuliert.

Die Welpen lernen offensichtlich, sofortige FOLGEBEREITSCHAFT mit Futterbestätigung zu verknüpfen, ein bemerkenswerter Fakt für die Symbiose Mensch/Hund und die Welpenerziehung."


Wen dieses spezielle Thema interessiert: Eine empfehlenswerte Lektüre zum Thema "Beruhigungsgesten" ist Turid Rugaas, On Talking Terms With Dogs: CALMING SIGNALS.

Zurück zum "Kommen" und einigen wichtigen Übungsparametern.

Punkt 1: Sie rufen oder pfeifen nur dann, wenn Sie fest darauf zählen, daß Ihr Hund kommen wird. Gott ja, die Zurückhaltung fällt schwer, vor allem wenn unser Halbstarker sich gerade in Kuhscheiße wälzen will oder begeistert bellend einem erschrockenen Pudel hinterhertobt... Andererseits: Warum überhaupt rufen, wenn er ohnehin nicht kommen wird? Bestenfalls läßt sich damit noch ein besorgter Pudelbesitzer von unserem guten Willen überzeugen.

Punkt 2: Sie rufen oder pfeifen nur einmal - oder jedenfalls so selten wie möglich. Bringen Sie Ihrem Hund erst gar nicht bei, daß es früh genug ist, nach dem achten Ruf zu kommen. Und geben Sie dem Flüchtling durch ständiges Rufen nicht auch willkommene Orientierungshilfen: Dann weiß er nicht nur, daß Sie in der Nähe sind, sondern auch, wo genau er Sie wiederfinden wird.








Der Kuvasz-Welpe ist ganz auf seine Spielkameraden konzentriert. Kein guter Moment, ihn abzurufen...

Punkt 3: Sie fangen klein an und steigern langsam den Schwierigkeitsgrad. Am Anfang ist die Distanz sehr kurz, und Sie sorgen dafür, daß es keine Ablenkungen gibt, die den Hund vom rechten Weg abbringen könnten. Erfolge werden enthusiastisch belohnt, mit Futter, mit Ballspiel, mit Streicheleinheiten, was immer Ihr Hund besonders schätzt - je schneller er gekommen ist, desto reichlicher fallen Begeisterung und Belohnung aus. Wenn Sie mit dem Clicker arbeiten, beginnen Sie mit dem Blickkontakt und klicken und verstärken schon die erste Bewegung in Ihre Richtung. Der Clicker kann hier eine große Hilfe sein, da Sie nicht in unmittelbarer Nähe des Hundes aufhalten müssen, um punktgenau belohnen zu können ("Komm!" mit dem Clicker - mehr dazu bei Martin Pietralla, Clicker-Training für Hunde, S. 80f.)

Drei Dinge gibt es, die Sie NICHT tun, wenn Sie das Kommen üben:







Wenn er jetzt einen Moment zu Ihnen herüberschaut, haben Sie eine gute Chance - vorausgesetzt, Sie haben sich vorher schon an die Regeln gehalten...

Punkt 1: Weil man es kaum oft genug sagen kann, hier also noch einmal: Niemals beschimpfen, bedrohen oder bestrafen Sie den Hund, der zu Ihnen kommt!

Punkt 2: Wenn Ihr Hund in die falsche Richtung läuft, laufen Sie ihm nicht nach. Empfehlenswert ist nur eine Richtung - die Gegenrichtung. Wenn ein Baum oder Gebüsch in der Nähe ist, hinter dem Sie sich verstecken können, nutzen Sie unbedingt die Gelegenheit. Wenn er sie - wie erhofft - sucht, aber nicht findet, geben Sie ihm eine Hilfestellung durch erneutes Rufen oder Pfeifen. Dann hat er verstanden, daß er ein Auge auf Sie haben muß - andernfalls Sie plötzlich verschwinden könnten... Aber seien Sie vorsichtig: Ein Kuvasz, der sich in vertrauter Umgebung befindet, könnte sich plötzlich entscheiden, den Heimweg anzutreten, wenn er Sie nicht mehr findet.

Punkt 3: ...speziell für Clickerfreunde: Selbstverständlich clicken Sie niemals, um den Hund damit zum Kommen zu bewegen. Er kommt auf Ihren Ruf nicht, sondern schnuppert unbeeindruckt weiter? Wenn Sie jetzt clicken, um ihn anzulocken, dann haben Sie Schnuppern und "Ungehorsam" belohnt. Und das wäre auf die lange Dauer ziemlich kontraproduktiv, gell!


Sabine Winkler, Hundeerziehung (S. 109):

"Wenn Ihr Hund nicht auf Ruf kommt, liegt das meistens daran, dass es ihm noch nie jemand wirklich beigebracht hat oder dass er nach dem Kommen ausgeschimpft oder gestraft worden ist. Übrigens kann es auch eine "Strafe" sein, wenn er nach dem Kommen auf Ruf jeweils sofort angeleint wird oder ins Haus muss! Hunde, die gezielt weglaufen, tun das meist entweder wegen läufiger Hündinnen (dann kann eine Kastration angeraten sein) oder um zu jagen. Andernfalls mangelt es Charly vermutlich an Bindung, und er findet Sie sterbenslangweilig. Sie müssen sich also ins Zeug legen!"


Und wenn er doch einmal nicht kommt, was dann?
Ein Patentrezept gibt es leider nicht. Wie bei kleinen Kindern ist Prävention entscheidend. Bewahren Sie Ihren Hund und insbesondere Ihren Welpen vor übergroßen Versuchungen, und - siehe oben - rufen oder pfeifen Sie nur, wenn die Chancen sehr gut stehen. Wenn es dann doch passiert - und es wird passieren, häufiger als es uns lieb ist: Schreien Sie nicht, schimpfen Sie nicht, ignorieren Sie den Lapsus, und passen Sie beim nächsten Mal noch besser auf. Ach ja, und nicht vergessen: Sofortiges Anleinen ist auch nicht die Konsequenz, die Ihr Hund beim nächsten Mal freudig suchen wird.

Daß gerade unsere Hirtenhunde gerne Ihrem eigenen Kopf nachgehen, ist keine Neuigkeit. Je sorgfältiger Sie sind und je häufiger Sie in überschaubaren und ungefährlichen Situationen üben, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß es auch im Ernstfall klappen wird. Wenn es häufiger schief geht, fragen Sie sich deshalb noch mal ehrlich: Waren Sie wirklich-wirklich konsequent und dies über Wochen und Monate? Oder haben sich über Stress und Zeitmangel Nachlässigkeiten eingeschlichen? Achten Sie im Alltag darauf, daß die Grundregeln von "Benimm und Anstand" eingehalten werden? Hat Ihr Kuvasz ausreichend Auslauf, Abwechslung und Kontakt zu Artgenossen? Spielen, schmusen und toben Sie oft und regelmäßig und intensiv genug?


"Hören" ist ein Gesamtkunstwerk, kein Geniestreich...


Mariette und Stephan Hellinger
28. Februar 2002

Bergstrasse 6
56754 Dünfus
Tel. 02672/7658
Fax. 02672/910364


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